Andrea Petkovic, Sabine Lisicki, Angelique Kerber: Bei den US Open möchte die Riege der deutschen Damen heute (ab 18.00 Uhr im LIVE-TICKER) komplett in Runde drei einziehen. Das soll jedoch nur ein Zwischenziel sein - vor allem für die Weltranglistensechste Kerber.
Die Welt des Damentennis ist durchaus nicht leicht zu durchschauen oder gar zu verstehen. Vor allem aus Sicht der deutschen Spielerinnen ist die Weltspitze abwechselnd Fluch oder Segen - mit der Kielerin Kerber als Gallionsfigur.
Die 26-Jährige ist die konstanteste unter den deutschen Topspielerinnen, steht seit anderthalb Jahren durchgängig unter den besten zehn Damen der Welt und hat in Ihrer Karriere bereits zwei Grand-Slam-Halbfinals erreichen können - unter anderem 2011 in New York. Doch es gibt eben auch eine Kehrseite der Medaille.
Auf der sieht das Bild wesentlich weniger rosig aus: Ihren letzten Turniersieg feierte Kerber in Linz 2013, seitdem reicht es allenfalls zu Finalteilnahmen. Und damit wäre das größte Problem der Norddeutschen auch offensichtlich: Es fehlt einfach an Nervenstärke.
Die Nerven spielen einfach nicht mit
Vier Mal stand Kerber allein im Jahr 2014 in einem Endspiel der WTA-Tour, einen Titel konnte sie aber nicht einheimsen. Dabei hießen die Gegnerinnen nicht immer Serena Williams (Stanford) oder Simona Halep (Doha), sondern eben auch mal Madison Keys (Eastburne) oder Tsvetana Pironkova. Letzere schlug Kerber im Finale von Sydney glatt in zwei Sätzen als Qualifikantin.Die Deutsche weiß selbst, dass ihr in den entscheidenden Momenten das letzte Quäntchen abgeht. ''Es läuft halt immer super die ganze Woche...und am Ende denke ich zu viel nach und es geht schief'', so ihr ernüchtertes Fazit nach dem verlorenen Finale von Stanford vor drei Wochen.
Folgt jetzt die Bestätigung?
Denn dass die 1,73-Meter-Powerfrau das Potenzial hat, um nicht nur dauerhaft in der Weltspitze mitzuspielen, sondern auch mal einen Grand Slam zu gewinnen, bescheinigt ihr mittlerweile jeder. ''Sie hat in den vergangenen Monaten richtig gut gespielt, drei Endspiele erreicht, dort aber leider immer gegen absolute Top-Spielerinnen verloren - das kann passieren'', so Kerbers Fed-Cup-Kapitän Barbara Rittner vor dem US Open.Die in Stanford siegreiche Serena Williams schlägt in die gleiche Kerbe: ''Unsere Matches sind immer richtig eng. Sie hat ein großes Kämpferherz. Man darf Angie nie abschreiben.'' Erarbeitet hat sich das die als ausgewiesene Defensivspezialistin bekanntgewordene Kerber mit ihrem Coach Benny Ebrahimzadeh. Mit dem hat sie vor allem an der Abteilung Attacke gefeilt. Jetzt soll der nächste Schritt folgen.
Ein guter Start sieht anders aus
Eine Schwäche weist Kerbers Spiel abgesehen von der Nervenschwäche ebenfalls auf: den zweiten Aufschlag. Oftmals kommen die Bälle mehr als Einwurf auf der anderen Seite des Netzes an, sodass ihre Gegnerinnen die Norddeutsche immer wieder leicht unter Druck setzen können - wie zum Beispiel die Qualifikantin Xenia Pervak aus Russland, die Kerber in Runde eins 2:17 Stunden Gegenwehr leistete und die Deutsche am Rande einer Niederlage hatte.''Es war ein hartes Match, sie hat unglaublich gespielt. Aber ich habe bis zum letzten Punkt gekämpft und bin froh, in der zweiten Runde zu stehen. Ich habe bis zum Schluss an mich geglaubt'', so Kerber nach der Partie. Und auch das klingt natürlich viel besser als in früheren Tagen, als solche Matches die Norddeutsche gern auch einmal den nächtlichen Schlaf kosteten.
Das soll in Zukunft alles anders werden. Auch wenn der Auftakt in Flushing Meadows nicht zwingend der erwünschte war. ''Sie ist physisch und mental richtig gut drauf. Jetzt wird es einfach darauf ankommen, einen guten Start ins Turnier zu erwischen'', so Rittner gegenüber ran.de. Nun gilt es, die neugewonnene Stärke im Spiel gegen Alla Kudryavtseva (Nr. 137 der Welt) wiederzuentdecken. Dann steht einem positiven Turnierverlauf nichts mehr im Wege
Autor: Oliver Stein