Louis van Gaal hat Rache genommen. An seinem viel zu schlechten Image in Deutschland, aber auch am Unterhaltungsbedürfnis der Zuschauer. sportal.de feiert trotzdem seine Taktik, sucht deutsche Stürmer mit der Lupe und diskutiert den Platz von Länderspielen im Kalender der Zukunft.
So, so. Sie sind also einer dieser Menschen, die sich gerne Taktikanalysen von 0:0-Testspielen durchlesen. Das ehrt Sie und hilft uns, denn irgendjemand muss auch nach Abenden wie dem 14. November in Amsterdam in unsere Artikel klicken. Was aber sind die Themen nach so einem Spiel, das streckenweise an die Schande von Gijón erinnerte, abzüglich der mit Geldscheinen wedelnden Algerier im Publikum?
1) Louis van Gaal mit meisterhafter Taktik
Wie sehr viele deutsche Medien es gewohnt sind, sich der Sichtweise des FC Bayern anzuschließen, sieht man daran, wie wenige Artikel über Louis van Gaal als Bondscoach ohne negative Charakterisierungen auskommen, wie man sie über deutsche Trainer nur in Ausnahmefällen lesen würde. Man hat sich daran gewöhnt, Van Gaals Zeit in München als Scheitern zu resümieren, ein Scheitern zudem, das er sich selbst durch seine "Sturheit" zuzuschreiben habe. Gerne vergisst man, wie erfolgreich LVG in München war mit dem Double und dem Finaleinzug in der Champions League jedenfalls noch besser als die Bilanz von Jupp Heynckes.
In Amsterdam zeigte Van Gaal dem deutschen Publikum noch einmal eindrucksvoll seine Klasse. Vorgänger Bert van Marwijk war zwar Vizeweltmeister geworden, hatte aber gegen Deutschland zuletzt zweimal innerhalb eines Jahres eine völlig falsche Taktik gewählt. Im Test von Hamburg war die Elftal in Grund und Boden gekontert worden. Beim EM-Spiel in Kharkiv war sie erneut viel zu offensiv ausgerichtet gewesen und hatte, da vier Spieler nicht defensiv arbeiteten, die Räume im Mittelfeld nicht schließen können, aus denen Bastian Schweinsteiger dann beide Tore vorbereitete.
Genau diese Schwächen stellte Van Gaal nun ab. Und zwar, indem er das Pressing in der Mittelfeldzone komprimierte. Kein Niederländer lief seinen Gegenspieler in der deutschen Hälfte an, sondern erst ab der Mittellinie. Zugleich aber schob die Viererkette sehr hoch, so dass der Raum zwischen den Mannschaftsteilen sehr eng blieb. Man überließ Deutschland, einer der stärksten Kontermannschaften des Weltfußballs, den Ball, wo er am wenigsten Schaden anrichten konnte.
Das hatte alles in allem Erfolg, auch wenn es auf den ersten Blick vielen Traditionen des niederländischen Fußballs Hohn sprach. Bei all dem muss natürlich bedacht werden, dass es ein Spiel zweier stark ersatzgeschwächter Mannschaften war, das keine grundlegenden Schlüsse über die Stärke oder gar die WM-Chancen der beiden offenbarte. Es zeigte aber im Fall von Van Gaal, dass er die ihm zur Verfügung stehenden Spieler zumindest für diesen Abend richtig eingesetzt hat. Und Joachim Löw?
2) Was am deutschen Spiel funktionierte - und was nicht
Zwar war Mehmet Scholls Halbzeitzfazit, Deutschland sei "eine Klasse besser" als die Gastgeber, eine absurde Schollsche Übertreibung, denn Ballbesitzvorteile immer noch als Zeichen von Qualität anzusehen, sollte sich eigentlich überlebt haben. Was die Torchancen angeht, hatte die Elftal bis dahin jedenfalls die beste gehabt, durch Arjen Robben, der nach Ibrahim Afellays Anspiel Manuel Neuer schon umkurvt hatte, bevor er beim Versuch, aus spitzem Winkel abzuschließen, ausgerutscht war.