Die Meisterschaft hat Bayern München gewonnen, die Bundesliga ist nur noch eine Art Training unter Wettkampfbedingungen, "jetzt", sagte Thomas Müller lapidar, "zählt nur die Champions League". Bei Manchester United (Dienstag, 20.45 Uhr) haben die Münchner ihr "erstes Finale" in dieser Saison, wie Trainer Pep Guardiola das Hinspiel im Viertelfinale der Königsklasse nannte, und das bedeutet: alle Konzentration auf die Triple-Verteidigung.
"Die Gier ist bei uns allen da, noch mehr Titel zu holen", betonte Bastian Schweinsteiger nach der Ankunft in Manchester - und vor allem die Champions League übt nun ihre gewaltige Faszination aus. "Das Kribbeln ist groß", versicherte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, betonte aber: "Wir wissen, dass es zwei schwere Spiele werden." Dass Manchester in der heimischen Liga unter dem neuen Teammanager David Moyes schwächelt, ändere daran nichts.
"Wir wollen gewinnen, wir werden bereit sein", sagte Schweinsteiger, aber auch er weiß: "Sie werden alles tun, um uns zu schlagen, das muss uns bewusst sein." Der Gegner gleiche "einem angeschlagenen Boxer", er könne deshalb einen Schlag landen, "der uns schmerzt", sagt Rummenigge. "Sie können uns besiegen, das ist nun mal die Wahrheit", warnte am Montagnachmittag Guardiola.
Wie ernst die Bayern den Gegner nehmen, verriet Kapitän Philipp Lahm nach dem 3:3 am Samstag gegen 1899 Hoffenheim: Die Vorbereitung auf den Dienstag habe schon "am Freitag" begonnen. Die Bundesliga war höchstens als Bewegungstherapie für Reservisten gedacht, zum Leidwesen Guardiolas verletzte sich dabei Thiago. "Wir haben einen Kader, der das kompensieren kann", sagte Rummenigge. Doch Guardiola betonte: "Er ist einer der besten Spieler der Welt. Ohne ihn sind wir weniger."
United, in der Premier League nur Siebter, beklagt den Ausfall von Angreifer Robin van Persie (verletzt) sowie Verteidiger Patrice Evra (gesperrt). Und ginge es nach einigen Anhängern, wäre Teammanager Moyes bereits aus Old Trafford vertrieben - der FC Bayern aber will sich nicht ins Bockshorn jagen lassen."
"Champions League kein Alltag"
"Wir spielen im Viertelfinale der Champions League gegen einen großen Gegner, der im Alltag Probleme hat", sagte Sportvorstand Matthias Sammer, wies aber gleich darauf hin: "Champions League ist kein Alltag. Wir dürfen uns durch das dumme Gerede nicht ablenken lassen." Nein, unterstrich auch Müller, "ein Freilos ist das jetzt nicht, was da schon wieder alle denken".
Rummenigge unternahm sogar einen Ausflug in die Geschichte, um vor Manchester zu warnen. Im Endspiel der Champions League 2012, dem "Finale dahoam", seien die Bayern auch Favorit gewesen - der FC Chelsea, erinnerte der Klub-Chef, sei damals ja nur Sechster in der Premier League geworden. Ergebnis bekannt. Und 1975 wiederum habe der FC Bayern das Endspiel im Europapokal der Landesmeister gegen Leeds United gewonnen - als Zehnter der Bundesliga.
"Wir wissen selbst am Besten, was eine angeschlagene Mannschaft leisten kann. Beim Anpfiff spielen Tabellenstände keine Rolle", sagte Rummenigge - und nur zur Erinnerung: "Wir spielen gegen den englischen Meister." Ja, der mag seine Probleme haben, gestand Guardiola ein, aber er rechnete vor: "Die haben Tausende, Millionen von Finals gespielt, die wissen, was zu tun ist." Er glaubt: "Wir müssen uns das Halbfinale verdienen."
Verdienen heißt auch: So etwas wie gegen Hoffenheim mag Guardiola, der auch auf den gesperrten Dante verzichten muss, nicht mehr sehen. Vom steten Ballbesitz, für den Trainer der Schlüssel zum Erfolg, war da erstaunlich wenig zu sehen, es ging also häufig "hin und her und hin und her", stellte Guardiola unter fast körperlichen Schmerzen fest. Ein hin und her kann er in Old Trafford überhaupt nicht brauchen. Ein Thiago täte da wohl ganz gut.